Cochrane Collaboration
Unter Compliance (englisch: Einwilligung, Erfüllung, Befolgung, Willfährigkeit) versteht man im klinisch-praktischen Alltag die Befolgung von ärztlichen, pflegerischen, physiotherapeutischen Anweisungen durch den Patienten im Rahmen von Behandlungen. Ein Patient, der Compliance aufweist, fügt sich dem Behandlungsprotokoll. In der Physiotherapie ist ein Patient "compliant", wenn er "motiviert ist" bzw. "gut mitmacht"
Der Begriff der Compliance ist ethisch/professionell problematisch, weil er auf einer Rollenzuschreibung basiert, die den Professionellen (Medizin, Pflege, Physiotherapie etc.) die Expertenrolle und Patienten/Klienten eine passive Laienrolle zuschreibt. Die Experten wissen dabei, was gut für den Laien ist, sie entscheiden für ihn, der Laie ist willfährig, und führt Anweisungen aus. Gute Compliance wird dabei als Voraussetzung für die Genesung gesehen, mangelnde Compliance als Gefährdung des Therapieerfolges. Inwieweit mangelnde "Compliance" Ergebnis einer mangelnden Klientenzentrierung bzw. eines seitens der Experten mangelhaft gestalteten physiotherapeutischen Arbeitsbündnisses (Kostrzewa) ist, wird in dieser autoritär-naiven Sichtweise nicht problematisiert. Zudem wird dabei übersehen, dass es gute Gründe geben kann, warum Patienten Expertenanweisungen nicht folgen. Hieraus kann man folgern:
"Begriffe wie 'Compliance', in denen auch Untertöne von 'Arztbefehlen' mitschwingen, und die 'Nicht-Compliance' als Defizite von Patienten sehen, aufzugeben ist lange überfällig" (Shillitoe 1995; zitiert nach French 1997; Übersetzung E. Scherfer).
In der Forschung, insbesondere in der Forschung zu Wirksamkeitsnachweisen gibt es unterschiedliche Ansätze, mit Compliance umzugehen. Bei Studien über die Wirksamkeit unter Idealbedingungen (Efficacy) wird man ein hohes Maß an Compliance anstreben, um die Wirkung der zu überprüfenden Behandlung in der Analyse isolieren zu können.
Bei Studien über die Wirksamkeit von Interventionen unter Alltagsbedingungen (Effectiveness) wird hingegen auch eine mangelnde Compliance integriert, indem Daten von Klienten, die die Behandlung aus mangelnder Compliance abbrachen, so ausgewertet werden, als hätten sie die Behandlung erhalten (s. intention-to-treat), weil unter Alltagsbedingungen auch außerhalb der Studie genauso mit Abbrechern von Behandlungen zu rechnen ist. Hierdurch wird die Wirksamkeit von Therapie aber faktisch (und bezogen auf Patientengruppen!) herabgesetzt. Der Grad, in dem eine Intervention auf Compliance trifft, wird also dabei als eine Eigenschaft der Behandlung betrachtet.
Zu einer kritischen Einschätzung von quantitativen Studienergebnissen gehört somit auch, festzustellen, welchem Ansatz das Studiendesign folgt.
Compliance selbst kann Gegenstand vielfältiger qualitativer Forschung sein, die z.B. die Kommunikation zwischen Experten und Laien, deren Rollenverständnisse oder ein Verständnis für die Gründe der Nichteinhaltung von Anweisungen hat. Insofern solche Forschung dazu beiträgt, dass individueller bzw. klientenzentrierter auf Patienten eingegangen wird, kann sie maßgeblich zu effektiven und effizienten therapeutischen Interventionen beitragen.
Literatur:
- French S. (1997) "Why do people become patients?" In: French S. (Hrsg.) "Physiotherapy - A psychosocial approach". Butterworth Heinemann Verlag, Oxford, Auckland, Boston; S. 103-119
siehe auch: Drop-out/Drop-out-Quote, Effectiveness, Efficacy, Evidenzbasierte Praxis, Intention to treat analysis, qualitative Forschung, quantitative Forschung